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Im Widerspruch sein

„Ich weiß sehr wohl, wie widersprüchlich man sein muss um wirklich konsequent zu sein!” Pier Paolo Pasolini

(c) pixabay

Auf meine letzte Kolumne zum Thema Gewalt, erhielt ich ein interessantes Feedback.

Ich hatte zum Schluss ein Zitat von Mahatma Gandhi verwendet. Die geschätzte Leserin machte mich darauf aufmerksam, dass Gandhi einige dunkle Flecken auf seiner weißen Heldenweste habe.

Ich gestehe, das war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt und das Zitat bezog sich auf die Idee der Gewaltlosigkeit. In weiterer Folge recherchierte ich natürlich und fand die angegebenen Punkte hinsichtlich Rassismus gegenüber der schwarzen Bevölkerung Südafrikas und frauenverachtenden Haltungen bestätigt (ich werde darauf hier nicht explizit eingehen, die Fakten dazu finden sich im Netz).

Mich bewegte vielmehr die Frage, ob die eine Grundhaltung (Rassismus) eine andere (Gewaltfreiheit) ausschließt, abschwächt oder unglaubwürdig macht.

Kann man einerseits menschenverachtende Züge in seiner Persönlichkeit haben und gleichzeitig friedfertig sein?

Ich glaube ja.

Mir scheint es möglich in einem Thema glaubwürdig zu sein, in einem anderen zweifelhaft. Als Menschen sind wir nun mal nicht perfekt, nicht ausgeglichen, sondern eben oft auch widersprüchlich. Wir nennen das in der Psychologie Ambivalenz. Das Vorhandensein sich widersprechender Einstellungen, Haltungen oder Sichtweisen.

Mark Twain war als politischer Journalist ein Pazifist und doch schrieb er die Memoiren von Ulysses S. Grant, dem General und Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Sezessionskrieg. Twain verdiente als Verleger mit diesem Buch ein Vermögen. Diego Maradona kam als Spieler nach Neapel, ins Armenhaus Italiens und führte den Klub SC Napoli zum Gewinn von Meisterschaft, Pokal, und UEFA Cup. Er bescherte den Neapolitaner*innen Selbstwert, Bedeutung und Anerkennung. Die weitere Geschichte ist bekannt und doch ist Maradona in Neapel, auch posthum noch ein Held.

Widersprüchlich zu sein, gehört zum Menschsein dazu, es ist ein Teil unserer Persönlichkeit, aber es verwirrt und empört uns, wenn wir damit in Kontakt kommen. Wir erwarten von Priestern, dass sie keusch sind (nicht weil wir glauben, dass das gut ist, sondern weil sie uns erzählen sie sind es), von Politikern, dass sie unbestechlich sind, von Managern, dass sie integer sind und doch wissen und erleben wir, dass es nicht so ist. Eine gute Idee, bleibt auch dann eine gute Idee, wenn sie von einem Scheusal kreiert wird. Ein Bösewicht kann Gutes tun und bleibt trotzdem ein Bösewicht.

„Philosophie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Widersprüchlichkeit des Menschen uneingeschränkt zur Darstellung bring!“ Theodor W. Adorno

Euer Michl Schwind


Kurzbiografie Michl Schwind

Geb.: 17.08.1961

Ausbildungen und Qualifikationen:
– Sozialpädagoge
– Organisationsentwickler
– Trinergy®– NLP Lehrtrainer
– ICF Coach
– Strategisch-systemischer Kurzzeittherapeut

Menschen haben mich immer schon fasziniert. So arbeitete ich seit 20 Jahren als Sozialpädagoge und habe hier die Basis meiner psychosozialen Kompetenz entwickelt. 10 Jahre davon war ich als verantwortlicher Leiter und Führungskraft in unterschiedlichen Einrichtungen und Projekten tätig. Seit dem Jahr 2000 bin ich selbstständiger Coach, Teamtrainer und Organisationsentwickler. In dieser Zeit konnte ich bei namhaften österreichischen und internationalen Unternehmen zu deren positiver wirtschaftlicher und personeller Entwicklung beitragen.