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Kulturelle Aneignung

„Gute Ideen erkennt man daran, dass sie geklaut werden!“ Rudi Carrell

Ich bin ein weißer (manchmal schon alter) Mann. Ich habe Dreadlocks, Tätowierungen mit Stammessymbolen aus Indonesien und der Südsee, einen Anker aus der Seefahrt und Bilder der amerikanischen Popkultur, Totenkopf, um nur ein paar zu nennen…. Ich trage Lederhosen aus dem Salzkammergut, habe einen Kilt aus Schottland, Cowboystiefel, Doc Martens, Bandanas, und so weiter und so weiter. Kurz gesagt ich bin betreibe kulturelle Aneignung im großen Stil.

Nun, bevor ich jetzt in die Rechtfertigung gehe, warum das bei mir nicht so ist und ich eigentlich eh ganz nett bin, ein kurzer Rückblick.

Im März dieses Jahres wurde die deutsche Sängerin Ronja von Maltzahn von einer Veranstaltung der Fridays for Future in Hannover, wieder ausgeladen – mit dem Hinweis, dass das Tragen von Dreads eine kulturelle Aneignung, cultural appropriation, sei und sie das auf ihrer Veranstaltung nicht wollen.

Groß war die Häme und schadenfreudig die Kritik; schau, schau die Fridays, wie intolerant und ausgrenzend. …. Und überhaupt, die Kelten hätten ja schon Dreads gehabt, wie man bei Julius Cäsar schon nachlesen kann. Nun nicht jeder hat immer seinen Bello Gallico bei sich um das zu prüfen.

Ich finde jedoch die Aktion war wichtig und gut, weil es ein Thema öffentlich gemacht hat und den Diskurs geöffnet hat. Das ist das Entscheidende. Als Kind der Aufklärung halte ich es mit Voltaire „Ich bin nicht einverstanden mit dem was sie sagen, aber ich würde bis zum Äußersten dafür kämpfen, dass sie es sagen dürfen“.

Was also ist kulturelle Aneignung?

Es geht dabei um das Verwenden von Symbolen, Ritualen, Kleidung, Schmuck etc., die einer ethnischen Minderheit oder unterdrückten Kultur zugeordnet werden, durch die westliche Wohlstandsmehrheit (abgesehen davon, dass es kulturellen Austausch immer schon gegeben hat, man denke an Marco Polo und die Sache mit der langen Nudel).

Vor allem geht es um den Aspekt, durch das Tragen dieser Symbole, einen kommerziellen oder wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten. Das Anliegen ist also klar und doch ist es schwierig, weil es jener Person, die kulturell aneignet, unterstellt unreflektiert, ohne Bezug zur Ursprungskultur und in Bereicherungsabsicht zu handeln.

Wenn ich also als Ethnolog_in, Entwicklungshelfer_in, ja selbst als Tourist_in mit Personen aus einer anderen Kultur in Austausch trete und dadurch Beziehung entsteht, was dann? Nun Fred Sinowatz sagte schon „Die Dinge sind sehr kompliziert!“

Ein wohlwollendes Miteinander ist mir persönlich mehr erstrebenswert als ein moralisierender Zeigerfinger.

Euer Michl Schwind


Kurzbiografie Sandra Gneist

Geb.:  09.10.1977

Ausbildungen und Qualifikationen:

  • Dipl. Tourismuskauffrau
  • MBA für Prozessmanagement und Beratung
  • Systemischer Coach und Supervisor
  • ROMPC® Coach
  • Organisationsentwicklerin
  • Open Space Beta® Practitioner

Nach 20 Jahren in der Hotellerie lasse ich seit 2016 meine Leidenschaft und meine persönlichen Erfahrungen in meine Arbeit als Beraterin und Coach einfließen. Meine Reise hat mich gelehrt, wie wichtig es ist, die eigene Einzigartigkeit anzuerkennen und authentisch zu leben.